Musealisierung von Zeitungen und Büchern
In der Tat, ich stimme dem wohl zu: Nachdem schon in den Kunstwerken der vergangen Jahrzehnte Büchertürme, Zeitungsschnipsel und Fotomontage zeigten, dass eine Musealisierung dieser papierneren Ausdrucksformen hoch im Kurs lag, ist mit der Stuttgarter Bibliothek der ganze Bau nicht mehr ein Kommunikationsort, sondern ein Friedhof - so scheint es zumindest. Doch man unterschätze nicht die Anarchie der Buchstaben: Sie können selbst heute noch Menschen zu Handlungen anstiften, wenn nicht gar zu Revolten veranlassen. Ganz banal: Totgesagte leben länger - oder sind es etwa die Wiedergänger, die Geister, die sie riefen, die herausströmen aus den Zeitungsvitrinen und aus der Stuttgart-21-Bibliothek? Wer weiß, vielleicht wird nie mehr etwas drum herum gebaut - dann steht das Mausoleum mitten in der Baugrube, und rings herum pfeifft der Wind. Mit hochgeschlagenem Mantelkragen, um unerkannt zu bleiben,schleicht dann nur noch Stefan Mappus da herum - und vielleicht ist er der einzige Gast in der Bibliothek, weil er in den alten Zeitungen von seiner früheren Herrlichkeit lesen will.. . Vielleicht kommen auch noch ein paar Banker dazu, die in den Höhlen der verlassenen Baugruppen ihre Spekulationen ausbaden müssen... Hoffentlich haben sie alte Zeitungen, die sie wärmen - oder die Bibliothek.
Erika Münster-Schröer
Erika Münster-Schröer
StadtbibliothekRatingen - 18. Nov, 17:43