Mittwoch, 16. November 2011

Stuttgart 21 - Die Library

("Für die Vögel, nicht für die Käfige." John Cage)

LIBRARY steht oben an den Kanten des turmhoch ragenden Baus der gerade neu eröffneten Stadtbibliothek Stuttgart. Aber noch bevor man diesen Schriftzug überhaupt wahrnimmt, ist da dieser rythmitisierte Betonklotz archaisch mitten in der Bauwüste wie übrig geblieben, aber doch neu. Noch nicht auszumachen, wie das in einer vollendeten Bebauung wirken wird. Noch ragt er also bedrohlich empor, doch auch vertraut, ein Monolith, ein heiliger Stein. Der heilige Stein erweist sich als Tempel der Ästhetik, in dem der Raum selbst Anbetung fordert. Das ist groß. Sehr groß. Ganz klein dagegen der Mensch. Das sind nicht seine Proportionen. Das sind die Maße eines großen Geistes. Und der fordert. Andacht. Waschung vor dem Betreten. Höchste Konzentration. Man mag es nicht glauben, aber man darf tatsächlich fast das gesamte Bauwerk betreten. Bis unter die Decke gelangt man in schwindelnde Höhe, immer einen Handbreit von dem, was in Kirchen die Größe des Herrn anzeigt, dem Raum unter der Kuppel, der gewaltig ist, die Kuppel dagegen flach und lichtdurchflutet. Da ist Standfestigkeit gefragt, denn jäh am Geländer geht es beträchtlich in die Tiefe. An den Wänden der Galerien, zu denen die Treppen hinaufführen, stehen Regale mit Büchern. Wie im Museum gibt es gegenüber Bänke, damit man sie in Muße betrachten kann. Sie anzufassen, ein Sakrileg. Nirgends in der in absolutes Weiß geträumten Bibliothek ein Ort, wo man sich trauen würde, ganz unschuldig eine Zeitung auszubreiten, in der Gefahr, Druckerschwärze zu hinterlassen.

So ist der Perspektivlosigkeit für eine humane gesellschaftliche Vision der Bibliothek in der digitalen Zukunft ein Denkmal gesetzt. Wenn es nirgends mehr Bibliotheken geben sollte. Diese bleibt. Als Museum.

Wenn das der Zeitgeist ist, werden demnächst Kaufhäuser und Shopping Malls als Museen dargeboten. Und Konzertsäle und Fußballstadien. Das gesellschaftliche Leben wird museal zelebriert, der Rest findet daheim hinter verschlossenen Türen im "Käfig" am Computer statt.

Vielleicht strömen nun alle nach Stuttgart, um Bücher als etwas noch nie dagewesenes zu entdecken?

Was ist schon der Zeitgeist. Letztlich folgt er den Menschen... L.Macher

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Zuletzt aktualisiert: 1. Dez, 17:00

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