Freitag, 21. Oktober 2011

Neue Zeitung - wahre Zeitung

Zeitungen - Zeytungen, wie es vor 500 Jahren geschrieben wurde - waren damals ein ganz neues Medium. Johann Gutenberg hatte den Buchdruck erfunden, und erstmals konnten massenhaft reproduzierte Schriften vertrieben werden. Neben der Bibel war das große Thema dieser Zeit die Religion in allen Facetten. Die Reformation selbst wurde durch Flugschriften wie die "Wahrhafftigen Zeytungen" oder die "Newen Zeytungen" sehr befördert.
Solche Blätter musste man kaufen. Viele von ihnen nahmen es mit der Wahrheit nicht so genau. In Bild (Holzschnitt) und Text wurden Gegebenheiten aufgebauscht oder zu Schauermärchen umgestaltet - ganz ähnlich, wie wir es heute aus der Boulevard-Presse oder dem Fernsehen kennen. Beliebt waren Flugblätter mit Berichten über die Hexenverfolgung oder Himmelswunder: Kometen, die den Untergang der Welt vorhersagten oder Kreuze, die vom Himmel regneten - vielleicht hatte man auch Sternschuppen-Regen gesehen. Man konnte dies aber noch nicht deuten.

Natürlich gab es auch wahre Berichte unter den "wahren oder newen Zeytungen", die aus Marketing-Gründen so hießen. Dazu gehört der Bericht über die Belagerung und Verbrennung der Stadt Neuss im Jahr 1586, auf welche hier verwiesen wurde. Dieses Vorkommnis hatte etwas mit der Reformation zu tun. Der Bischof von Köln wollte zu dieser Zeit Protestant werden, die Stadt Neuss stand für den Beibehalt des Katholizismus. So wurde sie durch protestantische Truppen unter Anführung des Grafen von Neuenahr überfallen und viele ihrer Einwohner getötet. In allen deutschen Ländern und auch im "Ausland" wurde dies mit großem Abscheu angesehen und gab einen Vorgeschmack auf das, was kommen sollte: den 30-jährigen Krieg, der als Glaubenskrieg ab 1618 große Teile des heiligen römischen Reiches deutscher Nation verwüsten sollte.
Solche Flugblätter ließen sich sehr gut verkaufen. Zumeist wurden sie in den Zentren des Buchdrucks - Nürnberg, Augsburg und
Köln - erstellt. Die Zeitungen wurden einander vorgelesen und sorgfältig aufgehoben, denn sie waren etwas neues und auch vergleichsweise teures. Mit zunehmender Professionalität im Buchdruck dauerte es noch etwa 150 Jahre, bis Zeitungen denen von heute ähnlicher sahen und in noch viel gößeren Mengen hergestellt wurden.
Doch schon im Vergleich zu Handschriften, die es jeweils nur in ganz wenigen Exemplaren gab, stellten die gedruckten "wahrhafftigen Zeytungen" schon eine Art "Informationsflut" dar, wie wir modern sagen würden.
Das Internet in seiner Innovation ist mit der Erfindung des Buchdrucks in gewisser Weise zu vergleichen, denn beide sind als Auslöser einer Medienrevolution anzusehen. Das eine blieb, und das andere "sattelte drauf". Und Handschriften und Telefon gibt es ja auch noch. Und massenhaft alte Zeitungen, die keiner mehr aufheben will... oder ?

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Worum - und wie es geht
"Eine Woche Neuigkeiten" ist eine interaktive Installation...
StadtbibliothekRatingen - 1. Dez, 17:00
Dieser BLOG wird zum...
"Eine Woche Neuigkeiten" war ein befristetes Projekt...
StadtbibliothekRatingen - 1. Dez, 16:51
Zeitung, iPad, iPhone
Die Süddeutsche Zeitung bietet jetzt ein Studentenabonnement...
StadtbibliothekRatingen - 25. Nov, 13:35
Die Leichtigkeit des...
Die Papierzeitung auf dem Tisch, zwischen Daumen und...
StadtbibliothekRatingen - 23. Nov, 22:23
Musealisierung von Zeitungen...
In der Tat, ich stimme dem wohl zu: Nachdem schon in...
StadtbibliothekRatingen - 18. Nov, 17:53

Suche

 

Status

Online seit 4653 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 1. Dez, 17:00

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren