Morgen werden die Blogs gereinigt. Das ist durchaus ungewöhnlich - aber was schreib ich denn da? Natürlich sollen die Vitrinen gereinigt werden. Für den vollen Durchblick! L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 10. Okt, 18:13
- Es ist bloß wegen der Annonce, sagte Mr. Bloom, indem er sich mit kräftigen Knüffen zur Treppe vorarbeitete, schnaufend, und den Ausschnitt aus der Tasche zog. Ich habe grad mit Mr. Keyes gesprochen. Er will auf zwei Monate erneuern, sagt er. Dann wartet er erst mal ab. Aber er möchte auch einen kleinen Artikel im Telegraph, in der rosa Samstags-Ausgabe. Und er will die Sache, wenn's noch nicht zu spät dafür ist, wie ich Stadtrat Nannetti schon gesagt habe, so wie im Kilkenny People. Das kann ich in der National-Bibliothek einsehen. Haus der Schlüssel, verstehn Sie? Er heißt doch Keyes. Das ist ein Wortspiel mit seinem Namen. Aber daß er erneuern will, hat er praktisch schon versprochen. Er möchte nur einen kleinen Aufreißer dazu. Was soll ich Ihm sagen, Mr. Crawford?
L.m.i.A.
- Ach richten Sie ihm doch aus, er kann mich im Arsch lecken, sagte Myles Crawford, indem er, seinen Worten Nachdruck zu geben, den Arm ausstreckte. Und das sagen Sie ihm bitte stallfrisch, ja? (James Joyce: Ulysses) L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 9. Okt, 17:18
Letzte Nacht träumte ich, tief im Inneren der Vitrine der 33. Kalenderwoche wäre die Zeitungsredaktion. Es war ein kleiner Laptop, über dessen Bildschirm unentwegt die Bilder verschiedener Redakteure waberten, die in einer Bildschirmkonferenz die nächste Ausgabe diskutierten. Der Laptop hatte an der Seite eine winzig kleine Öffnung, aus der zähflüssig Probeseiten herausgepresst wurden und während die gerade nach Gestalt suchten, wurden sie von dem oder dem Redakteur verworfen, zerknautschten daraufhin und drängten hin zum Glas der Vitrine. Die Redakteure konnten sich nicht einigen, der Bildschirm geriet ins Flimmern und die Vitrine war kurz vor dem Zerbersten. Da machte es "Plop" und ein Spiegel lag auf dem Boden.
Als ich heute morgen nachschaute, war an der Stelle nur ein dunkler Fleck. War der vorher schon da? L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 8. Okt, 21:41
Mit unserem Glauben sind wir erpicht auf das Wunder, stürzen uns auf alles, was die Loslösung vom Gegenstand verspricht in der Hoffnung, damit Teil des Göttlichen noch zu Lebzeiten zu werden.
Anders kann ich mir kaum erklären, wie man in der Digitalen Revolution die Loslösung vom Gegenstand erkennen will, wie man vom virtuellen Raum im Internet spricht und jederzeit bereit ist, jegliche Gegenständlichkeit in diesem Zusammenhang zu leugnen.
Tatsächlich sind für diese Wunder mehr Gegenstände als je zuvor erforderlich.
Dass sich Gegenstände während der Ausübung ihrer Funktion verändern, ist nicht neu. Der Kolbenmotor im faszinierenden Spiel des Verbrennungsvorgangs ändert seine Position von Kolben, Ventilen und Vergaserstellung, genauso wie die Festplatte ununterbrochen ihre Magnetisierung ändert, genauso die Speicherbausteine, der Prozessor und all die anderen Komponenten durch die Strom fließt. Trotzdem bleiben es Gegenstände, eine Maschine, die nur ihre Zustände irrsinnig schnell verändert. Das Produkt, das sie herstellt, wird über einen Gegenstand vermittelt.
Der Begriff "virtuell" bewegt etwas Transzendentes, weil er Unmöglichkeiten zu benennen versucht. Davon ist die "virtuelle Realität" weit weg. Sie benutzt Maschinen, die so funktionieren, wie man sie geplant hat. Wenn Sie demnächst vor Ihrem PC sitzen und z.B. eine Seite von rp-online betrachten, denken Sie daran, für diesen Moment ist die gesamte Maschine das Äquivalent für die eine Papierseite der Zeitung. Diese komplexe Maschine nimmt gerade den Zustand an, der Sie die Online-Zeitungsseite sehen lässt.
Wenn man alle Seiten einer einzigen Online-Zeitung in ihrem aktuell erzeugtem Darstellungszustand in einer Vitrine zeigen wollte, müsste die fast so groß sein, wie eine Etage des Medienzentrums. Man bräuchte für jede Seite eine eigene Maschine.
Andererseits könnte man einen kompletten Jahrgang aller im Medienzentrum vorrätig gehaltenen Zeitungen auf 1 USB-Stick speichern. Da läg der Stick dann, wie der Stein der Weisen. Ob in einem Stein gleicher Größe mehr Information gespeichert ist? Die Auslesegeräte für Steine stecken bisher noch in den Kinderschuhen. L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 7. Okt, 22:03
Ich stelle mir vor, ich sitze oder schwebe in der Vitrine im 1.OG zwischen all den zerknautschten alten Zeitungen. Ich gucke durch die bizarren Freiräume innerhalb der verschiedenen Knüddel hindurch und beobachte die vorbeigehenden oder sich unterhaltenden Besucher. Wie würde ich mich im Datenschrott längst vergessener Informationen im Internet fühlen? Ich kann mir gar nicht vorstellen, irgendwo zwischen als gelöscht markierten Bits and Bytes im Digitalen Papierkorb zu sein. Sieht man da noch was? Ich beame mich doch lieber hinaus und setze mich in diese gemütliche Sofaecke. "Hallo." "Wer der aktuelle Literaturnobelpreisträger ist?" Man darf träumen.
"Ich schau gerad im Computer nach... (ist doch nicht mal 13Uhr07?) L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 6. Okt, 20:52
Kann man auf den Zeitungsstücken eigentlich noch etwas lesen?
In der 32. Kalenderwoche lese ich auf dem Papier in der Vitrine noch Informationen:
"Vorläufiges Ende eines Albtraums" - leider kann ich nicht mehr verfolgen, wie es weitergeht. Gute Schlagzeile. Bestimmt eine gute Geschichte - vielleicht lese ich sie, wenn die Vitrine ausgeräumt wird, auch wenn die Zeitung dann alt ist - ich besorge mir dann einfach die Seite...
"Borussia macht heute dicht" - ob es wohl Borussia Dortmund ist? Hoffentlich gewinnen die...
"Glücksjäger im Internet: Wer online sucht, ist selten ein treuer Kunde" - Marktwirtschaft und Treue passt auch nicht so richtig. Treueschwur: gab es unter Blutsbrüdern...
"Panische Anleger treiben Goldpreis" - das erinnert schon eher an Raubritter ... Ob das alles gut geht, oder wir schon morgen alle pleite sind, weil die Inflation unsere Gehälter auffrisst? Dann müssen wir Wertgegenstände horten, so wie den Schatz der Nibelungen. Aber da gab' s ja auch noch das Rheingold. Hieß so nicht auch mal ein Intercity?
Die Schlagzeilen sind echt gut. Kein vorläufiges Ende eines Albtraums...
Erika Münster-Schröer
StadtbibliothekRatingen - 6. Okt, 15:55
Neue Zeitung - so hießen anfangs die frisch erschienenen Flugblätter, in denen außergewöhliche Dinge mitgeteilt und abgebildet wurden. Noch war die Buchdruckerkunst ganz jung, und um 1500 war eines der Hautptthemen, entsprechend populär illustriert, die Kritik am Papst und den "gottlosen" Klerikern. Dass solche Ansichten nun auch öffentlich verbreitet werden konnten, kam damals tatsächlich einer Medienrevolution gleich.
Als die Flugblätter zu "richtigen", regelmässig erscheinenden Zeitungen geworden waren - so um 1750 - war eine der zentralen Forderungen die Pressefreiheit ("Preßfreiheit"), die in Deutschland letztendlich erst in der Demokratie von 1918 - 1933 und danach erst ab 1945 im Westen realisiert wurde.
Pressefreiheit - darum haben Menschen selbst mit Waffen gekämpft - und in vielen Gegenden der Welt tun sie das noch heute - wobei Internet, Handys usw. inzwischen eine noch viel schnellere Möglichkeit der Information (aber auch der Zensur und Kontrolle - siehe China - Ägypten - Tunesien etc.) ) ermöglichen als die Papier-Zeitung.
Ist die Zeitung heute daher ein Museumsgegenstand, den wir wie ein Kunstwerk in einen Vitrine sperren sollten? Der Form nach - auf gedrucktem Papier - ist sie das vielleicht tatsächlich, oder?
Ich meine dennoch, die Zeitung lebt - auch gedruckt - selbst wenn sie manchmal ruht...
Erika Münster-Schröer
StadtbibliothekRatingen - 5. Okt, 11:13
Ein Besucher sagte: "Da habt ihr aber schöne Abfalleimer." (Hallo Peter, danke für diesen Ausspruch!) Da hat er etwas getroffen. Aber was? Wenn man das Bild vom Abfalleimer aufnimmt, ist das ungewöhnliche, dass man hier den Abfall rundum sieht. Ohne die gläserne Begrenzung der Vitrinen würden die verschieden geschichteten Knüddel der Zeitungsseiten auseinander fallen. Erst durch die Umfassung des Sichtgefässes entsteht so etwas, wie eine Skulptur. Man könnte die Installation "Zeitungen einer Woche im gläsernen Abfalleimer" nennen. Da würde gleich eine andere Dramaturgie spürbar. Was man zuletzt noch als bedeutsame Information diskutiert hat, liegt nun im Abfall. Welche der dort verabfallten Informationen vermögen einen längeren Zeitraum zu überdauern? L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 5. Okt, 10:36
Eigentlich ist der Titel "Eine Woche Neuigkeiten" nur ein Aufreisser, denn in den verschiedenen Zeitschriftentiteln und sogar in den einzelnen Zeitschriftenausgaben selbst, wiederholen sich so manche Informationen und sind insofern
redundant und nicht mehr neu. Das führt zu der Frage, was im Alltag als Neuigkeit zählt: "Alles beim alten?" "Ja, nichts Neues." L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 4. Okt, 15:56
Zwei Aspekte möchte ich herausgreifen.
Eine Zeitung ist auf Grund der jahrhunderte Erfahrung im Layout optimiert auf Lesbarkeit. Das fängt bei der Schrifttype (und alles was damit zusammenhängt ist wirklich komplex) an und endet bei der harmonischen Verteilung der Text- und Bildblöcke. Online Versionen der Nachrichtenverlage unterliegen dagegen vor allem den Bedingungen, die das verwendete Content Management System vorgiebt. Diese Software ist optimiert auf Bedienbarkeit für die Redakteure.
Der zweite Aspekt betrifft die Vergänglichkeit. In den Internetpräsentationen der Verlage verändern sich die Inhalte kontinuierlich. Wo ist die Ausgabe von gestern? Die Zeitung löst sich nach und nach auf. Ganz langsam. Zuerst wird die Struktur des gefalteten Papiers aufgelöst, indem man einzelne Doppelseiten herausnimmt. Im Verlauf des Tages wird die ein oder andere Seite zweckentfremdet, um nasse Schuhe auszustopfen, irgendeine Seite verschwindet unter dem Sofa. Der Rest wandert ins Altpapier. Da möchte ich gerade einen bestimmten Artikel hervorholen. Vor meinen Augen sehe ich noch die Seite: Sie hatte vom Layout so eine doppel "H" Struktur und oben im Drittel war so ein Foto von Popstars (Cindy und Bert? oder doch Take That?). In der Altpapierkiste wühle ich alle Zeitungen durch und finde das Blatt, 3 Tage älter als gedacht und auf dem Foto war Pippa. Dann kommt der Müllwagen und nimmt alles mit.
Ich kann mich noch immer an die Seite erinnern. Unten links stand: Heino singt wieder Weihnachtslieder. Ich weiss auch nicht, warum ich mich daran erinnere. Bei Heino denke ich immer an die Toten Hosen. Aber die interessieren mich eigentlich auch nicht.
Als ich in den Keller gehe, um die Seite nochmal hervorzuholen, stehe ich plötzlich vor den ausgelaschten Stiefeln des längst erwachsenen Sohnes: Natürlich, er hat immer im Auto die Toten Hosen hören wollen! (Die Seite war natürlich schon weg - der Müllwagen!) L.Macher
StadtbibliothekRatingen - 23. Sep, 21:14